Die Galerie Stihl Waiblingen würdigt erstmals mit einer umfassenden Ausstellung die druckgrafische Technik des Siebdrucks und zeigt Werke von Willi Baumeister bis Sigmar Polke aus der Sammlung Domberger – Eine Siebdrucksammlung des Landes Baden-Württemberg. Diese einzigartige Sammlung, die neben Originalgrafiken auch seltene Entwürfe, Druckvorlagen, Probedrucke und Korrespondenzen in sich vereint, geht auf das Firmenarchiv der Siebdruck-Werkstatt Domberger zurück. Ab den 1950er-Jahren in der Region Stuttgart ansässig, wurde das Unternehmen, gegründet von Luitpold Domberger und in der zweiten Generation von Michael Domberger weitergeführt, zum
Anziehungspunkt vieler namhafter Künstler aus aller Welt wie Josef Albers, Christo, Keith Haring oder Robert Indiana. Mit der Siebdruck-Werkstatt Domberger entwickelte sich die Region Stuttgart zu einem internationalen Zentrum des künstlerischen Siebdrucks. In enger Zusammenarbeit von Druckern und Künstlern experimentierte man mit den Möglichkeiten des Schablonen- und Durchdruckverfahrens und verfeinerte die technischen Verfahrensweisen des „silk screen printing“, herausgefordert von der Aufgabe, andere Lösungen im Sinne
des künstlerischen Ausdrucks zu finden. Die Ausstellung bietet anhand des Archivmaterials einen spannenden Einblick in den Entstehungsprozess der leuchtend farbigen Druckgrafiken und vermittelt darüber hinaus das Spektrum des Siebdrucks vom künstlerischen Originalbild bis zur angewandten Grafik. Die gleichmäßige und intensive Wirkung der Pigmentfarben im
direkten Flächendruckverfahren ließ den Siebdruck zur beliebten Technik für die Op- und Pop-Art sowie für die Konkrete Kunst
werden. Weltweites Ansehen erwarb sich das Haus Domberger zudem mit legendären verlegerischen Projekten, wie ab 1967 dem Kalender Internationale zeitgenössische Kunst und den Portfolios Formen der Farbe oder Kinderstern mit Bildern unterschiedlichster Künstler. Die Auswahl der Exponate reicht von Max Bill, Gotthard Graubner, Richard Hamilton, Klaus Heider, Jörg Immendorff, Imi Knoebel, Georgy Litichevskiy, Heinz Trökes, Günther Uecker, Tomi Ungerer bis Victor Vasarely. Neben der reichen Palette dieser Vielfalt an Siebdrucken von ganz unterschiedlichen Künstlern aus Europa und den USA stellt die Ausstellung die Anfänge in Deutschland mit den besonderen Serigrafien von Willi Baumeister vor. Sie gaben als künstlerische Original-Druckgrafiken den entscheidenden Impuls für die Blütezeit des Siebdrucks in der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts. Die erste Serigrafie des Malers, Grafikers und Bühnenbildners druckte Luitpold Domberger 1950; bis 1955 entstanden 64 Serigrafien, die prägend für Baumeisters grafisches Oeuvre sind und ein Schlaglicht auf die Nachkriegskunst in Deutschland werfen. Als Folge dieser künstlerischen Auseinandersetzung mit der ansonsten gewerblich genutzten
Drucktechnik etablierte sich Domberger als weltweit gefragter Experte der Siebdruckkunst.
Die scharfe Kante der Linien sowie die ebenmäßige oder auch fein strukturierte Fläche, vor allem aber die Verwendung matter
oder glänzender, kontrastreicher und im Druck direkt auf das Blatt aufgetragener Farben zeichnet den Siebdruck aus. Mehr
als 200 Farben kamen für die fotorealistischen, großformatigen Bilder des Amerikaners Richard Estes zum Einsatz, eine Pionierleistung des Druckhandwerks und ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung. Anders als Estes, der monatelang in Filderstadt vor Ort war, übermittelten Künstler wie Albers oder Trökes ihre Vorstellung von Formen und Farben postalisch. Aus Konzepten wurden Bilder, indem die Drucker wie die dritte Hand des Künstlers die farbliche Gestaltung der Siebdrucke anhand der Skizzen und Entwürfe modulierten und die vorgegebenen grafischen Elemente auf den Druckbögen realisierten.
Die Vielfalt der Möglichkeiten, die sich im Medium des Siebdrucks und des Lichtdrucks bietet, entfalten die Portfolios, in denen sich Einzelblätter international bekannter Künstler zu einer kleinen Sammlung in der Mappe fügen. Sie verschafften dem Siebdruck eine weite Verbreitung und stellen den dritten Höhepunkt der Ausstellung dar, welche die Welt der optischen Phänomene und bildnerischen Experimente beleuchtet sowie die Innovationslust und Freude an populären Motiven vermittelt.
Wir danken herzlich dem Leihgeber und den Kooperationspartnern der Ausstellung: dem Land Baden-Württemberg (Ministerium für
Wissenschaft, Forschung und Kunst) und der Stadt Filderstadt sowie der Staatsgalerie Stuttgart.
Zur Ausstellung erscheint dank der großzügigen Unterstützung des Fördervereins „Freunde der Galerie Stihl Waiblingen e. V.“ ein Katalog.