Mit gemeinsamen Arbeiten auf Papier der franko-amerikanischen Malerin und Bildhauerin Niki de Saint Phalle (1930—2002) und des Schweizer Künstlers Jean Tinguely (1925—1991) präsentiert die Herbst- und Winterausstellung der Galerie Stihl Waiblingen eine kontrastreiche Schau des außergewöhnlichen Künstlerpaares. Anhand von 100 Künstlerplakaten sowie Faltbüchern, Briefzeichnungen und plastischen Objekten wird gezeigt, wie verschiedenartig das jeweilige Werk der beiden international berühmten Künstler ist. Seit 1956 und über drei Jahrzehnte verband Niki und Jean eine ebenso intensive wie produktive Arbeits- und Liebesbeziehung. Zu entdecken sind ihre gemeinsamen Arbeiten, aber auch die jeweils typischen Bildmotive wie die Nana-Figuren der Niki de Saint Phalle und die Maschinen-Skulpturen des Jean Tinguely. Die Plakate entstanden seit Mitte der 1960er-Jahre, um eigene Ausstellungen, Happenings, Film- und Theaterproduktionen öffentlich bekannt zu machen. Neben dem Siebdruck fand auch die Technik der Lithografie, die Niki de Saint Phalle virtuos beherrschte, in den originalen Druckgrafiken Anwendung. Neben Jasper Johns, Robert Rauschenberg und Daniel Spoerri erkämpfte sich das einstige Covergirl der Vogue durch spektakuläre Aktionen internationale Anerkennung als bildende Künstlerin. Sie gehörte als einzige Frau zur Gruppe der Neuen Realisten, die Jean Tinguely mitbegründet hatte. Zusammen entwarfen sie eine Fülle von Plakaten für ihre gemeinsamen Projekte und die mit monumentalen Skulpturen gestalteten Gärten, führten ebenso aber auch Auftragsplakate für Filmfestspiele oder Musikfestivals, den Zirkus oder andere kulturelle Events aus. Die Ausstellung gewährt einen umfassenden Einblick in das faszinierende Werkschaffen dieses unkonventionellen Paares und vermittelt mit der Druckgrafik eine weniger bekannte Seite der beiden Figuren und Plastiken schaffenden Künstler. Sie vermittelt, wie das populäre Medium Plakat das dreidimensionale bildhauerische Denken auf die Probe stellt, indem plastische Formen in die Fläche der Grafik übersetzt werden müssen.
Künstlerplakate überschreiten stets Grenzen und schaffen Verbindungen zwischen getrennten Bereichen der Kunstproduktion. Mit voluminösen, bunt bemalten Frauenfiguren, den Nanas, ist Niki de Saint Phalle weltweit bekannt geworden. Die ersten, noch aus Wolle, Garn, Papiermaché und Drahtgerüsten, stellt die Pariser Galerie Alexandre Iolas 1965 aus.
Unterstützt von Jean Tinguely, mit dem sie ab 1960 zusammenlebte und ein Atelier teilte, schafft Niki de Saint Phalle begehbare Riesenskulpturen. Die liegende Nana im Moderna Museet in Stockholm, eine „Große Göttin“ mit 28 Metern Länge mit dem Titel Hon—en Katedral (1966), zählte zu den spektakulärsten Installationen. An sie knüpfen spätere gemeinsame Projekte und Bühnenaufträge an. Heiter und sinnlich tanzend erobern die Nanas öffentlich aufgestellt die Städte. Genauso wie die Drachen, Schlangen und Vögel kehren sie in immer neuen Variationen als fantasie - volles Bildmotiv wieder. Ganz anders als die bunten, poppigen Plakate mit dem Bildinventar Niki de Saint Phalles wirken die an technische Zeichnungen erinnernden Druckgrafiken des Schweizer Künstlers Jean Tinguely. Diese übersetzen den Lärm der Klangskulpturen und die Bewegung der Räder-Konstruktionen seiner kinetischen Plastiken auf faszinierende Weise in die Sprache der Zeichnung. Mit dynamischer Geste geben die Plakate die rotierende Mobilität von Objekten wieder. Das Getöse schleifender, quietschender Räderwerke bringt der Bildhauer als Grafiker in explodierenden Formen und leuchtenden Farben zum Ausdruck, mit denen er die Farboffset- und Siebdruck-Blätter in den 1980er-Jahren fast vollständig füllt. In den Skulpturen für den Igor Strawinsky gewidmeten Brunnen vor dem Pariser Centre Georges Pompidou tritt der Einfluss Nikis spürbar vor Augen. Die spielerische Welt der Nanas kontrastiert die Ernsthaftigkeit der mehrheitlich schwarzen Maschinen, die Jean Tinguely 1983 für das gemeinsame Projekt schafft. Der Facettenreichtum der furiosen Plakate von Niki und Jean bezeugt die besondere Kreativität dieses Künstlerpaares.
Die Leihgaben der Ausstellung stammen aus der Plakatsammlung von Claus von der Osten aus dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Sie werden ergänzt um Leihgaben aus Privatbesitz sowie um Exponate der BEGE Galerien, Ulm. Die Ausstellung ist Teil der Veranstaltungen zum Jahresmotto 2016 „Europa“ der Stadt Waiblingen.