Die Linie ist Gedanke. Faszination Zeichnung

3. Juni bis 27. August 2017

Mit der Ausstellung Die Linie ist Gedanke – Faszination Zeichnung präsentiert die städtische Galerie Stihl Waiblingen aktuelle Positionen junger Künstlerinnen und Künstler aus Baden-Württemberg und Europa, die sich in ihren Werken auf ganz unterschiedliche Art und Weise mit der Kunstform der Zeichnung auseinandersetzen. Im Fokus ihrer Arbeiten steht die Frage nach den Möglichkeiten des zeichnerischen Ausdrucksmittels der Linie und seinen Grenzen auf der Fläche des Papiers. Gezeigt werden über 80 Arbeiten sowie Künstlerfilme von Karoline Bröckel, Hildegard Esslinger, Nadine Fecht, Niko Grindler, Katharina Hinsberg, Linda Karshan, Pia Linz, Thomas Müller, Karim Noureldin, Albrecht Schnider, Malte Spohr und Robert Zandvliet. Das Zeichnen ist eine der ältesten Kulturtechniken des Menschen. Viele Künstlerinnen und Künstler widmen sich derzeit wieder besonders der Zeichnung und loten die Möglichkeiten von der kleinformatigen Bleistiftstudie bis zur großen Installation im Raum aus. Die Faszination richtet sich auf das Zeichnen als einem sinnlich wahrnehmbaren Erfahrungsraum, in dem von der Umrisszeichnung über Liniennetze oder gestische Ausbrüche dem ästhetischen Eigenwert der Linie und ihrer freien Entfaltung neue Aufmerksamkeit geschenkt wird. Linien können gerade, kurvig, dick, dünn, expressiv oder präzise sein. Sie können Punkte miteinander verbinden, Umrisse wiedergeben, der Schrift ähneln oder Dinge voneinander abgrenzen. Abwechslungs- und erfindungsreich erobern die Linien den Raum und erweitern unsere Vorstellung, wie aus Flächen, Rhythmen und Strukturen Bilder entstehen oder Bewegung und Zeit eine sichtbare Gestalt annehmen können. Die unerschöpfliche Faszination, die von der spielerischen Leichtigkeit der Linie und von der Beschwingtheit linearer Zeichensysteme mittels Stift, Feder, Kugelschreiber oder Pinsel ausgeht, thematisierte Paul Klee in seiner Kunstlehre. Für den Bauhaus-Künstler war die Zeichnung ein Experimentierfeld für das Nachdenken über Kunst. Denn die Linie vermag es, Gedanken zu fassen und das Offene einer jeden Reflexion in ein sinnlich erfahrbares Bild zu übersetzen.

Dynamisch setzt die Linie ein mit der ersten Tat, als Bewegung. Durch Unterbrechungen und Gliederungen nimmt sie Gestalt an, kennt als Reflexionsmedium die Gegenbewegung und vermittelt durch den Weg, den sie suchend nimmt, neben der Bewegung Raum und Zeit. Sie ist Form gewordene, zu Papier gebrachte Idee. Wie vielfältig die Resultate der intensiven künstlerischen Auseinandersetzung mit den schöpferischen Eigenschaften der Linie ausfallen können, zeigen die Arbeiten der 12 Künstler der Ausstellung. Katharina Hinsberg versieht über 900 Einzelblätter mit präzisem Kalkül mit einer Linie, die übereinander gestapelt eine andere Linie entlang der Blattkanten ergeben, sodass der Block an Marmor erinnert. Thomas Müller arbeitet aus der Fläche des Papiers eine bewegte Form heraus, deren Plastizität sich den zahlreichen parallel gezogenen Linien und ihrer nuancierten Farbigkeit verdankt. Nadine Fecht nutzt den Zufall eines zum Kollektiv vereinten Kugelschreiberbündels, um in einer gelenkten, gleichwohl passiven Bewegung eine Spur über großformatige Papiere zu ziehen. Aus der Beobachtung von Naturphänomenen wie den im Wind rotierenden Ästen oder krabbelnden Ameisen entstehen die spontan anmutenden Liniengeflechte von Karoline Bröckel. Rhythmisch gesetzte Farbfelder prägen wiederum die kleinformatigen Zeichnungen des Schweizer Künstlers Karim Noureldin, während Albrecht Schnider es dem Betrachter überlässt, die Umrisslinien seiner mit Leerstellen argumentierenden Porträts mit imaginärer Farbe zu füllen.

Mit diesen sowie sechs weiteren Künstlerpositionen widmet sich die Ausstellung jenen faszinierenden Zeichnungen in der Gegenwartskunst, die auf innovative Weise den Bildraum erobern, neue Blickperspektiven erproben und das Spannungsfeld von Linie und Fläche ausloten. Die Werke stammen aus den Ateliers der Künstlerinnen und Künstler sowie aus Privatsammlungen. Zu den weiteren Leihgebern gehören die Galerien Clemens Fahnemann, Berlin, Werner Klein, Köln, Bernhard Knaus Fine Art, Frankfurt am Main, Thomas Schulte, Berlin, Bob Kleinvan Orsouw, Zürich. Zu danken ist den Galerien Michael Sturm, Stuttgart, und edith wahlandt, Stuttgart. Die Ausstellung wird von der Baden-Württemberg-Stiftung gefördert.