Phantasie an die Macht. Politische Künstlerplakate von Kollwitz bis Rauschenberg

8. Juli bis 25. September 2011

In der Sommerausstellung der Galerie Stihl Waiblingen wird das Zeitgeschehen des 20. Jahrhunderts aus dem Blickwinkel von Künstlerinnen und Künstlern betrachtet. Gezeigt werden Plakate von vornehmlich für ihre freien Arbeiten bekannten bildenden Künstlern, die Ausdruck von sozialem, humanitärem und politischem Engagement sind. Die Künstlerplakate erzählen eine Geschichte des Protests, des Einsatzes für Freiheit und Menschenrechte, der gesellschaftlichen Oppositionsbewegungen sowie der Forderung nach Gleichheit und Toleranz. Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.

„Phantasie an die Macht!“ – mit diesem Ausruf unterstützte der Künstler Pierre Aléchinsky den Aufstand der Pariser Studenten im Mai 1968. Die Bandbreite zwischen Utopie und erlebter Geschichte verleiht den politischen Plakaten der Künstler der Avantgarde ihren besonderen Reiz. Abgesehen von wenigen Ausnahmen (z. B. Käthe Kollwitz) beginnt die Geschichte des politischen Plakates mit dem Ersten Weltkrieg. Die Entwicklung des gesellschaftlich engagierten Künstlerplakates wird nach einer kurzen Blüte in der Zeit der Weimarer Republik in den 1950er Jahren insbesondere von Pablo Picasso fortgesetzt, der mit seinen Friedenstauben der Sehnsucht nach Frieden Ausdruck verlieh. Es folgte das Aufbegehren der 1960er Jahre: 1968 unterstützten viele Künstler die studentischen Forderungen mit 
Plakaten. Im nächsten Jahrzehnt setzten sie sich für die Freiheit von Minderheiten ein, wenig später wurde die Verschmutzung unserer Umwelt ein großes Anliegen von Künstlern wie Hundertwasser. Mitte der 1980er Jahre lenkte die Immunschwächekrankheit AIDS den Blick auf Diskriminierung und Ausgrenzung, und die Idee der Gleichberechtigung fand neuen Ausdruck vor allem bei amerikanischen Künstlern wie Keith Haring oder Jenny Holzer. Auch die Globalisierung nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 schlug sich in Plakaten von Robert Rauschenberg und anderen nieder. Diese Geschichte der internationalen Protestbewegungen, erzählt mit eindringlichen Entwürfen der großen Künstler des 20. Jahrhunderts, ist zugleich eine Geschichte der Kunst dieser Zeit.

Seit Picasso nehmen Künstler aus aller Welt vermehrt mit ihren Plakaten am politischen Geschehen teil. Sie kritisieren, sie prangern an oder sie entwerfen das gute Gegenbild. Nur selten haben sie sich von Machthabern in den Dienst nehmen lassen. Plakate, entworfen von bildenden Künstlern, fallen durch ihre individuelle Bildsprache auf, die nicht auf schnelle Lesbarkeit oder allgemeine Verständlichkeit ausgerichtet ist. Unter der  Parole „Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit“ lassen sich auch heute noch die Inhalte dieser Künstlerplakate zusammenfassen: Gleiche Rechte, ein freiheitliches Leben und ein brüderlicher Umgang miteinander. Derart idealistische Ziele muten teils romantisch und naiv an, doch anders als Wahl- oder Propagandaplakate müssen sich die Plakate von bildenden Künstlern nicht an realistische Ziele halten. Sie können unabhängig von kommerziellen oder politischen Erwägungen Partei ergreifen, sie können motivisch und im Grunde genommen auch inhaltlich völlig frei mit dem Thema umgehen. Und so spricht aus den politischen Künstlerplakaten der Individualismus der modernen Kunst.

Die Ausstellung „Phantasie an die Macht“ zeigt rund 120 Plakate von 65 internationalen Künstlern. Kooperationspartner ist das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, weitere Leihgeber sind das Käthe Kollwitz Museum Köln und das Hessische Landesmuseum Darmstadt sowie private Leihgeber. Die Schau ist in sechs Bereiche unterteilt: Revolution und Frieden, 1968, Freiheit, Umwelt, Gleiche Rechte sowie Hoffnung und Toleranz. In der Ausstellung vertretene Künstlerinnen und Künstler sind Max Bill, Joseph Beuys, HAP Grieshaber, Guerilla Girls, Keith Haring, John Heartfield, Jenny Holzer, Friedensreich Hundertwasser, Jasper Johns, Oskar Kokoschka, Käthe Kollwitz, Barbara Kruger, Roy Lichtenstein, Joan Miró, Yoko Ono, Max Pechstein, PabloPicasso, Robert Rauschenberg, Dieter Roth, Richard Serra, Antoni Tàpies, Wolf Vostell, Andy Warhol und andere. 


Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.