Mit einer Werkschau des Künstlers und Illustrators Christoph Niemann präsentiert die Galerie Stihl Waiblingen einen der gefragtesten Zeichner und Grafikdesigner unserer Zeit. In Waiblingen geboren, studierte Niemann an der Stuttgarter Akademie der Bildenden Künste bei Heinz Edelmann; von 1997 bis 2008 lebte er in New York. Berühmt wurde er durch seine Illustrationen und Coverbilder für Zeitschriften wie The New Yorker, The New York Times Magazine oder WIRED und American Illustration; daneben arbeitete Niemann für das Museum of Modern Art und Google. Nach intensiven Jahren im „Big Apple“ kehrte er 2008 mit seiner Familie nach Deutschland zurück. Heute setzt Niemann von Berlin aus treffsicher aktuelle Themen mit unnachahmlichem Humor in Szene. Neben visuellen Kolumnen im ZEITmagazin oder Covern für die Zeitschrift WELTKUNST gestaltet er freie Projekte und Bücher. Wie Niemann seine Ideen bildnerisch umsetzt, überzeugt und erstaunt immer wieder: Die innovative Erzählweise und seine prägnante, reduzierte Bildsprache lassen vergessen, dass auch die sogenannten glücklichen Zufälle meist hart erarbeitet sind. Auf sympathische Weise thematisiert Niemann in Creative Process die Selbstzweifel, die seine Arbeit stetig begleiten. Nach dem Blog Abstract City, der 2008 auf der Website der New York Times entsteht und 2012 als Buch erscheint, veröffentlicht er 2016 das Buch Sunday Sketching. Schreibend und zeichnend hält Niemann dort das Abenteuer Großstadt fest, erkundet anhand von persönlichen Erfahrungen die Mysterien des modernen städtischen Lebens, kommentiert die Weltpolitik und reflektiert sein Schaffen als Künstler. Typisch für Niemanns Humor sind seine Mixed-Media-Zeichnungen. In diese integriert er mittels Fotografie Alltagsgegenstände wie einen Zollstock, eine Socke oder einen Pinsel und verwandelt diese Dinge in freier Assoziation fast bis zur Unkenntlichkeit. Es entstehen unerwartete, oft ironische Zusammenhänge, die neue Blickwinkel auf scheinbar Vertrautes eröffnen. Ähnlich lässt Niemann in der Serie Artenvielfalt, in der er herbstliche Blätter von Bäumen als Material verwendet, Poesie im Alltäglichen, Ironie im Vertrauten und Tragik im Banalen entdecken. Ganz in der Tradition von Reiseskizzenbüchern hält der Künstler in Tuschezeichnungen seine Reisen rund um die Welt fest. Erstmals werden in Waiblingen die kürzlich entstandenen Originalblätter zu einer Venedig-Reise mit Hindernissen zu sehen sein. Zu Feder und Stift treten in anderen Arbeiten digitale Animationen, die Niemanns Zeichnungen lebendig werden lassen. In dem Projekt DMZ erweitern sich Bildräume zu virtuellen Realitäten in 360°-Ansicht. Niemann setzt die neuen Technologien ein, um zur unmittelbaren Teilhabe an seiner Reise in das Grenzgebiet zwischen Nord- und Südkorea einzuladen.
Mit Petting Zoo und Chomp hat der Grafiker zudem Apps und interaktive Anwendungen kreiert, bei denen sich seine witzigen Bildeinfälle durch Wischen auf dem Bildschirm von jedermann verändern lassen. Ästhetisch präzise und mit intelligentem Witz lotet Niemann die Grenzen von Illustration und Zeichnung, von Design und Kunst aus. Die Tendenz zur Reduktion, die Konzentration auf den schwarzen Strich und die Balance zwischen Proportionen und Farben sind Kennzeichen seiner Kunst. Besonders deutlich wird dieser Minimalismus in Siebdrucken wie Brooklyn Bridge, wo in frechem Fadenspiel das New Yorker Wahrzeichen entsteht.
»Mich interessiert nur, was auf dem Papier passiert.«
Die Ausstellung, die gemeinsam mit dem Künstler konzipiert wurde, zeigt die große Vielfalt im Schaffen Christoph Niemanns. Neben Coverbildern und Originalzeichnungen sind zahlreiche Drucke, Fotobearbeitungen, Installationen und Apps sowie eigens für die Galerie Stihl Waiblingen geschaffene Wandinstallationen zu sehen.