Max Klinger zählt zu den bedeutendsten deutschen Künstlern der Zeit um 1900. Der vielseitig begabte Klinger schuf auf dem Feld der Malerei und Bildhauerei Aufsehen erregende Werke – wegweisend sollte aber vor allem sein grafisches Œuvre werden: Klinger griff die im 19. Jahrhundert populäre Form der fortlaufenden Bilderzählung auf, gewann ihr jedoch völlig neue Seiten ab. Seine druckgrafischen Folgen begeistern durch prägnante Bildfindungen, gestalterische Wandlungsfähigkeit und überbordende Fantasie. Anlässlich Klingers 100. Todestag präsentiert die Galerie Stihl Waiblingen eine umfangreiche Schau zu den Grafikfolgen des Künstlers.
Die Themen der Zyklen sind breit gefächert: Traumvisionen treffen auf Sozialkritik, Humorvolles steht neben Tragischem. Immer wieder kreisen die Arbeiten um existenzielle Erfahrungen von Liebe und Tod, Glück und Verzweiflung. Rund 100 Blätter aus dem Besitz des Musée d’Art Moderne et Contemporain de Strasbourg, des Stadtmuseums Oldenburg sowie weiterer Leihgeber führen das fulminante grafische Schaffen des Künstlers in seinem ganzen Facettenreichtum vor Augen. Ergänzend zeigen Werke von Albrecht Dürer, Rembrandt oder Francisco de Goya, wie Klinger sich von großen Meistern der Kunstgeschichte inspirieren ließ.
Dass er selbst zum Vorbild für spätere Künstlergenerationen werden sollte, lassen Arbeiten von namhaften Vertretern der Moderne wie Max Ernst, Käthe Kollwitz oder Giorgio de Chirico anschaulich werden.
Drei Grafikzyklen Max Klingers stehen im Zentrum der Waiblinger Ausstellung: Die 1881 erschienene Folge Ein Handschuh gehört zu den berühmtesten Arbeiten des Künstlers. Sie entführt den Betrachter in eine bizarre Traumwelt und erzählt von Leidenschaft, Verlust und großen Abenteuern. Ein Leben von 1884 schildert den Lebensweg einer „gefallenen Frau“ bis zum tragischen Ende in der Gosse. Erstmals setzte sich damit ein deutscher Künstler der Jahrhundertwende mit dem Thema Prostitution auseinander. Klinger verbindet dabei harsche Kritik an der Doppelmoral seiner Zeit mit philosophischen Fragen zur Schicksalshaftigkeit menschlichen Daseins. Mit Vom Tode, Erster Theil widmete der Künstler 1889 der Endlichkeit des Lebens einen eigenen Grafikzyklus, der das traditionelle Totentanz-Thema überraschend neu interpretiert.
Weitere druckgrafische Folgen Klingers werden mit einer Auswahl ihrer schönsten Blätter vorgestellt. Sie offenbaren Klingers Begeisterung für Musik, erzählen antike Tragödien auf humorvolle Weise neu oder zeigen die harte Lebensrealität um 1900. Zwischen Liebe, Traum und Tod – Themen, die auch in der heutigen Lebenswelt nicht an Präsenz und Bedeutung verloren haben – entfaltet sich so eine Bildwelt von faszinierender Vielfalt und Ausdruckskraft.