Die in Kooperation mit der Stiftung Museum Kunstpalast in Düsseldorf präsentierte Ausstellung „Samurai, Bühnenstars und schöne Frauen. Japanische Farbholzschnitte von Kunisada und Kuniyoshi“ widmet sich der faszinierenden und fantasievollen Sagen- und Bühnenwelt Japans.
Die rund 80 Farbholzschnitte der Kollegen und Konkurrenten Kunisada (1786-1865) und Kuniyoshi (1798-1861), die in ihrer Zeit zu den führenden Meistern des japanischen Farbholzschnittes zählten, überraschen durch moderne, dynamische Darstellungsweisen, leuchtende Farben und anspielungsreiche Details. Nicht nur im mittleren 19. Jahrhundert waren diese Werke äußerst beliebt, sie dienen bis ins 21. Jahrhundert in der Populärkultur als Inspirationsquelle. Ein eigener Bereich der Ausstellung in der Galerie Stihl Waiblingen widmet sich diesen Zusammenhängen zwischen den traditionellen Farbholzschnitten und der heutigen Gesellschaft. Das Motiv- und Themenrepertoire der in der Ausstellung gezeigten Farbholzschnitte umfasst sowohl Heldendarstellungen, Bildnisse berühmter Schauspieler, Theaterszenen aus dem volkstümlichen Kabuki-Theater, Darstellungen schöner Frauen sowie einige von Kuniyoshis beliebten Scherz- und Katzenbildern. Das Zusammenspiel der Arbeiten Kunisadas und Kuniyoshis ermöglicht einen direkten Vergleich der beiden konkurrierenden Künstler, die teilweise identische Schauspielszenen und Bilder aus der japanischen Sagenwelt umsetzten. Auf diese Weise werden die künstlerischen Eigenheiten der beiden Farbholzschnittmeister erkennbar: Kunisadas Farbholzschnitte zeichnen sich besonders durch ruhige, abstrahierende Bildfindungen aus, während Kuniyoshis Farbholzschnittarbeiten durch Dynamik, Detail- und Fantasiereichtum
faszinieren.
Die präsentierten Farbholzschnitte entstanden im mittleren 19. Jahrhundert, d. h. während der späten Edo-Zeit (1603-1868), und sind den Bildern einer „fließenden, vergänglichen Welt“, den ukiyo-e, zugeordnet. Der Begriff ukiyo-e ist geprägt von der hedonistischen Lebensauffassung eines seit dem 17. Jahrhundert erstarkenden Bürgertums, die ein rasantes Wachstum der Unterhaltungsindustrie mit sich brachte. Einerseits verband man mit ukiyo-e das städtische Vergnügen – Theater, Freudenhäuser, Restaurants usw. – andererseits war
die Darstellung dieser Vergnügungskultur in Gemälden, Farbholzschnitten oder in Buchillustrationen gemeint. Die Bildthemen spiegelten die Freuden des Lebens, wie Theater und schöne Frauen wider. Erstmals in der Geschichte Japans bildete sich so eine Kunstform aus dem Volk heraus, was u. a. die große Popularität des Japanischen Farbholzschnittes erklärt. Trotz der handwerklich sehr aufwendigen Herstellungsweise – die der Besucher ebenfalls in der Ausstellung erläutert bekommen wird – wurden die Farbholzschnitte in hoher Auflage zu erschwinglichen Preisen hergestellt. Sie waren so vergleichsweise breiten Schichten zugänglich und kommerziell sehr erfolgreich. Häufig wurden sie von Theaterbesuchern im Anschluss an eine Aufführung gekauft und temporär wie ein Poster an die Wand geklebt.
Kunisada und Kuniyoshi schufen faszinierende Darstellungen dieser historischen „fließenden“ Welt. Gleichzeitig überraschen sie auch heute noch durch Modernität und Dynamik und die ausdrucksstarke Bildsprache der beiden Farbholzschnittmeister dient bis in die aktuelle Populärkultur hinein als Inspirationsquelle. Ein eigener Bereich der Ausstellung widmet sich den Zusammenhängen zwischen den traditionellen Farbholzschnitten und der heutigen Populärkultur. Vor allem die Arbeiten von Kuniyoshi mit ihren grotesken Überzeichnungen wirken wie Vorläufer oder frühe Beispiele der heute so beliebten Manga (japanische Comics; wörtlich: „komische“ oder auch „ungezügelte Bilder“) und Anime (japanische Animationsfilme). Ausgewählte Manga-Werke sowie eine Filmanimation werden die enge Anlehnung an die traditionellen Farbholzschnitte des 19. Jahrhunderts veranschaulichen.
Ferner spiegeln sich die Japanischen Farbholzschnitte in verschiedenen Jugendkulturen wieder. Gruppierungen wie die sog. Visu – Anhänger des Visual Kei (engl., „optisch“; japan., „Herkunft“, „Clique“) – oder Rollenspieler, Cosplayer genannt, adaptieren u. a. Klei-dungsstil, Make-up und Bewegungsabläufe der „historischen“ japanischen Figuren. Der in Düsseldorf lebende Künstler Oliver Sieber (*1966) wird in der Ausstellung mit Fotografien vertreten sein, die solche sog. Cosplayer in Alltagsituationen zeigen.
Ein weiterer popkultureller Bereich, dem das Motivrepertoire des Japanischen Farbholzschnittes als Vorlage und Inspirationsquelle dient, ist die Tattoo-Szene. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die westliche Form des Tätowierens stark beeinflusst von dem japanischen Tätowierstil, was sich u. a. in großflächig angelegten Tätowierungen widerspiegelt. Bis heute werden Motive für den Körperschmuck, etwa Drachen oder Wasserkreaturen, der Kunst des Farbholzschnittes entlehnt, wie in der Ausstellung das Schaffen des Tätowiermeisters Luke Atkinson (* 1965) zeigen wird. Der in Stuttgart lebende Tattoo-Artist britischer Herkunft lernte in Japan die traditionelle Kunst des Tätowierens und bedient sich ebenfalls dem Repertoire des Japanischen Farbholzschnittes.