Jenseits der Ansichtskarte. Die Alpen in der Fotografie

12. Oktober 2013 bis 6. Januar 2014

Erstmals seit ihrer Eröffnung im Jahr 2008 widmet die Galerie Stihl Waiblingen eine Ausstellung der Fotokunst.


Im Fokus der Schau Jenseits der Ansichtskarte. Die Alpen in der Fotografie steht die fotografische Auseinandersetzung mit der alpinen Bergwelt von der Frühzeit der Fotografie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur aktuellen Fotokunst. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der zeitgenössischen künstlerischen Fotografie. Die Zusammenschau präsentiert teils großformatige, atemberaubende Panoramaaufnahmen, die dem Besucher nicht nur die Erhabenheit und Mystik dieses einzigartigen Landschaftsraumes näher bringen, sondern auch dessen Vermarktung und Zerstörung festhalten und kritisch kommentieren. Bis heute sind die Alpen ein beliebtes 
Sujet in der Kunst, und weder die Rocky Mountains noch der Himalaya haben eine ähnliche kulturgeschichtliche und künstlerische Bedeutung erlangt.

Nach einem Exkurs zum Auftakt der Ausstellung, der die Pioniere der Alpenfotografie im 19. Jahrhundert sowie wesentliche fotografische Motive der Frühzeit der alpinen Fotografie bis ins frühe 20. Jahrhundert vorstellt, konzentriert sich die Schau auf Arbeiten zeitgenössischer Fotografen. Es werden den Besuchern 44 gegenwärtige Künstlerpositionen vorgestellt, die sich unter verschiedenen Fragestellungen dem 
Thema Alpen nähern und auf sehr unterschiedliche Weise die vielschichtigen Aspekte der Natur- und Kulturlandschaft im Medium Fotografie thematisieren. Neben der Erhabenheit und Monumentalität der beeindruckenden Gebirgswelt, zeigen die Arbeiten auch deren (un)spektakuläre Schönheit und die Folgen menschlicher Eingriffe oder setzen sich ironisch mit dem Klischeebild der Alpen auseinander. Auf diese Weise eröffnen sich – jenseits der „Ansichtskarten-Bergwelt“ – faszinierende sowie überraschende, teilweise auch irritierende Blicke auf die Alpen. Gleichzeitig werden durch die versammelten Künstlerpositionen bedeutende Richtungen der gegenwärtigen künstlerischen Landschaftsfotografie vorgestellt. 

Bis heute verbindet man mit den Alpen das Gefühl des Romantischen und Erhabenen bis hin zum Heroischen, aber auch Bedrohlichen. Sie werden als majestätisch, atemberaubend und imposant bezeichnet. Vor allem die Erhabenheit der Bergwelt hat Künstler seit dem 18. Jahrhundert – darunter viele Fotografen – immer wieder dazu gedrängt, sich mit den Alpen auseinanderzusetzen. Zeitgenössische Fotokünstler thematisieren diesen Aspekt auf unterschiedliche Art und Weise in ihren teils monumentalen Werken. Parallel dazu sind künstlerische Gegenstrategien zu verzeichnen, die stark von der klischeehaften Darstellung der Alpenlandschaft, wie wir sie u. a. von Ansichtskarten aus der Frühzeit der Alpenfotografie kennen, abweichen. Die Künstler bedienen sich dabei unterschiedlicher Verfahren wie etwa der Destruktion und Irritation, um den Bergen ihre Mächtigkeit zu nehmen. Oder sie machen gar die Manipulation und Wirklichkeit eines Bildes selbst zum zentralen Thema ihrer Arbeiten – Schein und Sein, Trug und Wirklichkeit bilden Leitmotive ihrer Fotografien. Auch lässt sich in manchen Arbeiten eine gewisse Re-Mythisierung von romantisierenden Darstellungen erkennen.

In der künstlerischen Reflexion zeigen sich jedoch auch die Auswirkungen des zunehmenden Tourismus’ und die damit einhergehende veränderte Wahrnehmung des Alpenraums. Die vom Menschen verbaute Landschaft – durch Autobahnen, Lifte, Freizeitzentren – wird zum Bildmotiv erklärt. Die Vermarktung der Alpen und Verstädterungstendenzen rücken ins Zentrum des künstlerischen Interesses. Mit dem und dem Eingriff des Menschen in die Natur einhergehend, werden auch deren Schattenseiten – der Klimawandel, das Schmelzen der Gletscher, Naturkatastrophen – abbildungswürdig. In gesteigerter Form lassen sich ironische Stellungnahmen der Künstler sowie ein teils sarkastischer Umgang mit den Alpenklischees und den häufig ad absurdum geführten Marketingstrategien des Alpentourismus’ finden.  

In der Ausstellung vertreten sind zudem Aufnahmen, die die unspektakuläre Schönheit der alpinen Landschaft wiedergeben. Trotz der zunehmenden Eingriffe des Menschen in die Natur – oder gerade deshalb – nähern sich nach wie vor viele Künstler geradezu respektvoll den beinahe in Vergessenheit geratenen, abstrakt wirkenden Formen und Formationen, die auch heute noch in Teilen der unberührten Bergwelt vorzufinden sind.

Mit dieser ersten Schau zum Thema Fotografie erschließt die Galerie Stihl Waiblingen einen weiteren interessanten Teilbereich der „Arbeiten auf Papier“ und verdeutlicht am Beispiel der Alpen wesentliche Tendenzen der zeitgenössischen künstlerischen Landschaftsfotografie.

Insgesamt präsentiert die Schau rund 120 Exponate, darunter zahlreiche Großformate. Künstlerinnen und Künstler in der Ausstellung sind: Ines Agostinelli, Siegrun Appelt, Guido Baselgia, Jules Beck, Franz Beer, Gebrüder Bisson, Robert Bodnar, Sonja Braas, Adolphe Braun, Wilhelm Braunger, Balthasar Burkhard, Reto Camenisch, Julian Charrière, Bernhard Edmaier, Nicolas Faure, Peter von Felbert, Thomas Flechtner, Jules Fuchs, Luigi Ghirri, Michael Goldgruber, Yann Gross, Andreas Gursky, Lois Hechenblaikner, Axel Hütte, Thaddäus Immler, Mathias Kessler, Matthias Lukoschek, Tobias Madörin, Elizabeth Main, Edgar Mall, Michael Mauracher, Andreas Mühe, Walter Niedermayr, Hanns Otte, Jürgen Pollak, Thomas Popp, Florio Puenter, Michael Reisch, Florian Richter, Alexander Riffler, Gregor Sailer, Stephan Schenk, Michael Schnabel, Karin Schneider-Meyer, Eduard Spelterini, Margherita Spiluttini,Jules Spinatsch, Albert Steiner, Berthold Steinhilber, Joël Tettamanti, Hannes Vogel, Fridolin Walcher, Gebrüder Wehrli, Jürgen Winkler, Thomas Wrede. Die Leihgaben stammen aus privaten und öffentlichen Sammlungen und Galerien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie aus dem Besitz der Künstler selbst. Die Ausstellung wurde von der Galerie Stihl Waiblingen konzipiert. Als Kooperationspartner konnte das vorarlberg museum, Bregenz gewonnen werden, wo die Schau im Frühjahr 2014 zu sehen sein wird. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Hirmer Verlag.