Unter dem Titel Marion Eichmann: Follow M.E. präsentiert die Galerie Stihl Waiblingen die in Deutschland bisher umfangreichste Werkschau der Berliner Künstlerin Marion Eichmann (geb. 1974). Ob weiß oder farbig, dick oder dünn – Papier ist das Material ihrer Wahl. Die Künstlerin bearbeitet ihren Zeichenblock mit lebhaftem Strich, schneidet akribisch Flächen und feine Details aus Karton aus und lässt farbstarke Collagen bis hin zu raumgreifenden, täuschend realistisch wirkenden Installationen aus Papier entstehen.
Eichmanns Werk ist voller Gegensätze. Die Künstlerin spielt mit Nähe und Ferne, Linie und Fläche ergänzen einander, präzise Ausführung steht Fragmentarischem gegenüber. Das facettenreiche Werk der Künstlerin lässt Betrachterinnen und Betrachter von Jung bis Alt staunen und oftmals überrascht innehalten – entweder, weil Fremdes neu entdeckt oder Vertrautes plötzlich ganz anders wahrgenommen wird. Angetrieben von Neugierde und sensibler Wahrnehmung reizt Marion Eichmann alle Möglichkeiten aus, die ihr das Material Papier bietet, und ist somit als eine der spannendsten und konsequentesten Künstlerinnen ihrer Generation zu entdecken.
Marion Eichmann ist viel unterwegs, daher zeichnet die Ausstellung ihre künstlerische Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte anhand ihrer Reisen in die Millionenstädte dieser Welt nach. Unversehens ist das Ausstellungsthema aufgrund der derzeitigen Situation aktueller denn je. Während Urlaubspläne verschoben werden müssen und das Fernweh wächst, können Kunstfreundinnen und -freunde ihrer Reiselust in der Galerie Stihl Waiblingen nachgehen und anhand der Kunstwerke Kurzreisen in vier Metropolen unternehmen. Vor einer eigens für die Waiblinger Schau aus Papier gefertigten Abflugtafel eines Flughafens können die Besucherinnen und Besucher die Gliederung der Ausstellung erfassen: Die Reise beginnt in Tokyo, der asiatischen Megacity, die eine Herausforderung für westeuropäische Ordnungsprinzipien ist. Verdeutlicht wird die Reizüberflutung, der sich Marion Eichmann während ihres Aufenthaltes in der japanischen Hauptstadt ohne jegliche Sprach- und Ortskenntnisse aussetzte, durch die Arbeit Tokyo mono. Bestehend aus 50 japanischen Badehockern, zieht die 25 m2 große Bodeninstallation das Publikum in den Bann. Weiter geht es nach New York: Hier werden großformatige, mit Fineliner gezeichnete und mit farbigem Karton ins Plastische gestaltete Stadtansichten präsentiert, die ungewöhnliche Perspektiven auf die typischen Backsteinfassaden der amerikanischen Metropole eröffnen. Skizzen und Vorzeichnungen, die während Eichmanns Aufenthalt in New York entstanden, führen Besucherinnen und Besuchern den aufwändigen Arbeitsprozess der Künstlerin vor Augen. Lebendig und in eine geheimnisvolle Atmosphäre getaucht, erscheint in der Mitte der Ausstellungshalle Istanbul, das dritte Reiseziel. Hier bringt Marion Eichmann farbige Stifte zum Einsatz. Wie an einer der seltenen Hafenszenen im Werk der Künstlerin anschaulich wird, ist ihr Umgang mit farbigem Papier und Karton zunehmend malerischer. Auf der letzten Station der Reise kann man schließlich die abstrakte Schönheit von Berliner Plattenbauten entdecken. Mit dem 50 m2 großen begehbaren Waschsalon, der in der Galerie Stihl Waiblingen erstmals vollständig präsentiert wird, kommt in diesem Bereich der Ausstellung auch Marion Eichmanns Faszination für technische Geräte und Automaten zum Ausdruck.
Dank großzügiger Leihgaben aus Sammlungen in Deutschland und der Schweiz, selten gezeigten Arbeiten aus dem Privatbesitz der Künstlerin sowie neuen Werken, die eigens für die Schau gefertigt wurden, entsteht ein spannungsvoller Überblick auf Marion Eichmanns inzwischen fast zwei Jahrzehnte währende Begeisterung für das Reisen und die Großstadt – offenkundig beides unerschöpfliche Inspirationsquellen für die Künstlerin. Abgerundet wird die Ausstellung durch eine Auswahl von Skizzenbüchern und -blättern, die der Öffentlichkeit bislang vorenthalten geblieben sind. Durch sie erhalten Erwachsene und Kinder einen umfassenden Einblick in den kreativen Entstehungsprozess der virtuosen und singulär stehenden Papierarbeiten von Marion Eichmann.
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog mit einführenden Texten von Dr. Anja Gerdemann, Stephanie Buck und Barbara Dober, den die finanzielle Unterstützung des Fördervereins Freunde der Galerie Stihl Waiblingen e. V. ermöglichte.