GOYA. Groteske und Karneval

30. Januar bis 1. Mai 2016

Francisco José de Goya y Lucientes ist ein Ereignis. Der spanische Künstler gibt in seinen Werken wie kein anderer Künstler um 1800 eine grausig-faszinierende Welt wieder. Sie breiten das Schauspiel eines Zeitgeschehens aus, dessen Umstürze im Zuge der Französischen Revolution und der napoleonischen Herrschaft Europa erschütterten. Mit visionärer Gestaltungskraft und technischer Meisterschaft schildert Goyas Kunst dabei in unerhört vielschichtigen Bildern die Abgründe der menschlichen Existenz. Goya begann mit seinem grafischen Werk im Jahr 1797. Es entstanden bis 1825 vier große Zyklen, die ein einzigartiges Spektrum an Träumen und Visionen zeigen und in bahnbrechenden Ideen die Schrecken und die Hoffnungen des Zeitalters aufzeigen. Jedes Blatt dieser Bilderfolgen stellt ein unvergessliches Gleichnis des Menschen dar. Goya seziert die menschlichen Abgründe und erfindet für dessen Torheiten ein Panoptikum an Monströsem und Groteskem. Ohne zu idealisieren, nimmt er die Verstellungskünste der galanten Welt des Rokoko schonungslos in den Blick. Mit feinsten Farbabstufungen und malerischen Valeurs revolutioniert Goya zudem die Technik des Radierens. Seine Bilder inszenieren die Reflexe des Lichts, um die Finsternis zu akzentuieren. Neben dieser technischen Meisterschaft ist Goyas grafisches Werk ein Vorbild für die Darstellung des Grotesken. Seine Figuren taumeln durch eine rätselhafte Welt voller fantastischer Motive und surrealer Details. Durch ihre Ambivalenz entlarven Goyas Bildergeschichten die Absurdität einer von Kriegen und Gräueln gezeichneten Zeit. Sie loten die Extreme von Liebe und Tod aus, während sie vom Traum (von) der Vernunft und vom Wahnsinn erzählen und aufrichtig vor Augen stellen, dass die Wirklichkeit schockierend ist. Die Ausstellung präsentiert mit dem spanischen Künstler einen Wegbereiter der modernen Kunst in Europa. Als königlicher Hofmaler wagt Goya die Gratwanderung zwischen einer repräsentativen Auftragskunst nach klassischen Regeln und freien Assoziationen einer entfesselten Fantasie. Er befreit die Kunst von den traditionellen Posen der barock-höfischen Welt durch lockere bis ausgreifende Gesten, deren Herkunft volkstümlicher Natur ist und bürgernah wirken soll. Sie artikulieren auf verstörende Weise seelische Bewegungen. Gezeigt werden alle 80 Blatt des Zyklus Los Caprichos, den Goya 1799 selber verlegte und veröffentlichte. Die Radierungen vermitteln mit karnevalesk anmutenden, launigen Einfällen das Welttheater des menschlichen Daseins. Das Fazit Die Welt ist eine Maskerade, so einer der im Kupfer gestochenen Titel, verweist auf den Rollentausch, in dem Täter sich zum Opfer wandeln und umgekehrt. Illusionslos stellt Goya Lüge und Trug der allseits ausgeübten Verstellung bloß und spürt im (Ver-)Lachen den Schrecken auf. Seine vielschichtigen Bilder zum Hexenwahn, Aberglauben und zur Habgier sind ein Appell, hinter die äußere Erscheinung zu schauen und das Zwielichtige der Dinge zu erkennen. Dies zeigen auch die Grafiken der anderen drei Folgen in hervorragend ausgeführter Radier- und Aquatinta-Technik, von denen in der Ausstellung jeweils eine Auswahl zu sehen ist. Zwischen 1808 und 1814 entstanden die 80 Platten zu der Folge Los Desastres de la Guerra. Sie vergegenwärtigen jene unaussprechlichen Schrecken des Krieges, die Spanien durch Napoleons Soldaten in den Bann zogen. Erst 1863 posthum publiziert, setzt die Direktheit in der künstlerischen Darstellung der Grausamkeiten, zu denen Menschen im Krieg fähig sind, ein neues Maß. Von vermutlich 1814 bis 1824 radierte Goya eine rätselhaft bleibende, wunderbare Folge von 22 Blatt unter dem Stichwort Disparates. Sie markiert das Spätwerk des Künstlers und wurde erst 1864 veröffentlicht. Fliegende Wesen, Hexen und riesenhafte Gestalten greifen die Auseinandersetzung mit den geflügelten Nachtgestalten in den Caprichos auf. Es sind Zerrbilder der Wahrheit: Das zu Sehende ist nichts als Maske oder Grimasse des schöpferischen Gedankens dieser Bildwelt. 1816 veröffentlichte Goya La Tauromaquia, ein Zyklus, der in 33 Szenen berühmte Stierkämpfe in den Arenen verschiedener Städte schildert. Unübertroffen erfasst Goya die Stiere im Moment der Abwehr des Todes, präzise hält er das waghalsige Handwerk der Toreros, Picadores und Banderilleros fest. Die über 100 Radierungen der Ausstellung sind allesamt von einzigartiger Qualität und stammen aus dem umfassenden Bestand des Morat-Instituts für Kunst und Kunstwissenschaft in Freiburg i. Brsg.