Werner Schretzmeier ist im Kulturleben der Region und darüber hinaus seit mehr als einem halben Jahrhundert eine feste Größe. Gemeinsam mit seiner Frau Gudrun besuchte er die Vernissage der Ausstellung „Ja, was denn?! Volker Kriegel. Musiker, Zeichner, Autor“ in der Galerie Stihl Waiblingen. Schretzmeier und Kriegel waren bis zum frühen Tod des Freundes Weggefährten.
In Schorndorf geboren, schlägt sein Herz für das Remstal und die Region – und für das politische Kabarett. Werner Schretzmeier erzählt im Gespräch mit Kathrin Fechner, zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Galerie Stihl Waiblingen, von den Anfängen „wie wenn’s gestern gewesen wäre“. In den 1960er-Jahren suchte Schretzmeier einen Ort für Jazz und Rock, für Kleinkunst und Theater, Lesungen und politische Diskussionen. Kurzerhand gründete er den politisch-kulturellen >> Club Manufaktur in Schorndorf. Volker Kriegel war gern gesehener Gast, später gingen sie gemeinsam auf Tournee.
Bei der Eröffnung der Manufaktur trat mit dem Albert Mangelsdorff Quintett eine der besten deutschen Jazz-Formationen auf: „Alles international herausragende Musiker aus Frankfurt, das war schon ein Statement!“ Bereits im ersten Jahr, 1968, konnte das Dave Pike Set mit Volker Kriegel an der Gitarre gewonnen werden. Dazu befragt, wie dies gelungen sei, lautet die Antwort: „Von 1964 bis 1968 stand ich als Kabarettist auf der Bühne und lernte in dieser Zeit viele Künstlerinnen und Künstler kennen. Einer davon war Wolfgang Dauner, einer der kreativsten deutschen Jazz-Pianisten dieser Zeit. Wir beschlossen, unsere Talente zusammenzulegen, er als Musiker, ich als Organisator. Aus dieser Zusammenarbeit entstand neben der Jazzrock-Formation Et Cetera ab 1975 das United Jazz + Rock Ensemble. Hier spielte Volker Kriegel die Gitarre, Kriegel wiederum war mit Dauner befreundet.“ Die Anfangszeit des Clubs produzierte viele unvergessliche Momente. Beispielsweise das Konzert mit Hannes Wader, Liedermacher aus Bielefeld, im Mai 1968. „Es kamen gerade mal sechs Personen! Man stellte drei Tische kreisförmig zusammen, Hannes nahm Platz, die Gäste saßen um ihn herum, es wurde einmalig und unvergesslich!“
Er sagt: „Ich mache bzw. verantworte nun seit über 50 Jahren ein monatlich aktuelles Programmangebot. Ich bin, programmatisch gesehen, eine Raupe Nimmersatt. Mich interessiert die Sparte Schauspiel genauso wie zeitgenössischer Tanz, Popmusik, Jazz, Kabarett und Literatur, Politik sowieso und last but not least liebe ich gut gemachte Comedy und alle Arten des modernen Circus.“ Schretzmeier hat einen inneren Auftrag: Er will Orte schaffen, für Dialog, für Vielfalt, deren Angebote nicht berechenbar, sondern immer neu und überraschend sind. Gewohnheiten will er aufbrechen, was schick oder eben nicht schick ist in Frage stellen, für Barrierefreiheit sorgen. Aus diesem Antrieb heraus entstand auch das >> Theaterhaus, 1984 vom Ehepaar Schretzmeier und Peter Grohmann in Stuttgart-Wangen gegründet. Schretzmeier betont: „Eines muss immer stimmen, das Handwerk. Es muss einem Niveau entsprechen, das so stabil ist, dass man guten Gewissens Publikum dazu bitten kann." Wie selbstredend das United Jazz + Rock Ensemble („United“, sagt Schretzmeier); die Band spielte von 1984 an mindestens einmal im Jahr im Theaterhaus.
Ab 1975 organisierte Werner Schretzmeier u.a. anderen die Tourneen der Band und war stets mit an Bord. „Mein Job war es, für Bedingungen zu sorgen, dass die Band ihren Job gut machen konnte.“ United spielte auf allen großen europäischen Jazz-Festivals genauso selbstverständlich wie in Bielefeld, Freiburg, Berlin oder München. „Oftmals vor 3.000 bis 4.000 Zuschauern, für eine Jazz-Formation außergewöhnlich“, erzählt Schretzmeier. Volker Kriegel zeichnete nahezu ununterbrochen, sogar im Tournee-Bus. „Als mit dem tragbaren Kassettenrekorder der Kopfhörer-Kult aufkam, wurde das Gerät zu Volkers beliebtem Requisit. Dann war er für zwei Stunden in einer anderen Welt.“ Schretzmeier erinnert sich, dass die Familien der Musiker immer wieder bei den Tourneen dabei waren. Regelmäßig spielte man im Frankfurter Raum, in Höchst, Offenbach, Wiesbaden, Mainz. „Dann haben wir uns privat getroffen, sind gemeinsam essen gegangen oder bei Volker zu Hause gewesen, Ev hat wunderbar gekocht.“
Das United Jazz + Rock Ensemble umfasste 10 Mitglieder, darunter mit Barbara Thompson am Saxophon auch eine Frau, damals ein fortschrittlicher Akt. „Alle waren erstklassige und sehr bekannte Musiker“, sagt Werner Schretzmeier. „Volker Kriegel ebenso wie die anderen United-Musiker. Volker hatte ein sehr gutes Gespür für musikalische Motive, die dem Publikum in Erinnerung bleiben. Jazz zum Wiedererkennen. Er hat seinen eigenen Sound kreiert, bei United und seinen anderen Bands." Das United Jazz + Rock Ensemble wurde nicht umsonst als ‚Band der Bandleader‘ bezeichnet, so Schretzmeier: „Alle Musiker hatten ihre erfolgreichen Bands, sie konnten von der Kunst leben und mussten sich nichts mehr beweisen. Darum hat das auch so gut funktioniert, alle hatten schon ‚ihr Ei gelegt‘, wie Volker zu sagen pflegte.“
Werner Schretzmeier schaut gerne zurück, die Ausstellung in der Galerie Stihl Waiblingen gibt diesem Rückblick einen Raum. „Ich habe bei einem Bild sogar meine eigene Handschrift entdeckt. Es ist der Ansagetext zum 10-jährigen Bestehen der Band", sagt Schretzmeier und lacht. „Ich bin begeistert von dieser Ausstellung. Sie ist für mich wie eine Zeitreise. Toll, dass neben seinen Karikaturen die Musik so präsent ist." Werner Schretzmeier freut sich auf den 1. Juni und das Konzert, das eine Hommage an den Freund Volker Kriegel sein wird. „Dabeisein ist für mich selbstverständlich, in der Hoffnung, dass viele Menschen dies ebenso sehen."
Anm. der Red.: Der Förderverein >> Freunde der Galerie Stihl Waiblingen e.V. veranstaltet am Samstag, 01. Juni 2024, ein Jazzrock-Konzert als Verneigung vor Volker Kriegel >> Mehr erfahren.
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